Zellkultur-Räumlichkeiten und Infrastruktur

Viele Arten von Zellkultur können auch in Makerspaces gelingen. Der rechtliche Rahmen und die Verpflichtung zu kompetentem Umgang und Sicherheit ist von Forschungseinrichtungen, Industrie, lehrenden Einrichtungen und Makerspaces angepasst auf die jeweiligen Organismen und Arbeiten vom Umgang bis zur Entsorgung zu erfüllen. Die Würdigung des rechtlichen Rahmens erfolgt am Ende in einem gesonderten Text.

Umgang mit und Kultur von Mikroorganismen ist vom Umgang mit und Kultur von tierischen wie pflanzlichen Zellen stellt ähnliche aber nicht identische Ansprüche an Räumlichkeiten und Infrastruktur.

  1. Im Gegensatz zu tierischen Zellen können Mikroorganismen in vielen Fällen Dauerformen (z. B. Sporen) bilden, die sowohl gegen Trockenheit wie auch gegen Temperatur in weiten Bereichen unempfindlich sind.
  2. Die Teilungsgeschwindigkeit von Mikroorganismen liegt meist um ein Vielfaches über der eukaryotischer Zellen, deshalb überwachsen Mikroorganismen die eukaryotischen Zellen in der Regel.
  3. Tierische Zellen sind für ihr Wachstum auf eine Vielzahl von Stoffen (Vitamine, Hormone, Zucker, essentielle Aminosäuren, Spurenelemente) angewiesen. Pflanzliche Zellen sind deutlich genügsamer, wachsen in der Regel aber langsamer. Mikroorganismen haben einen erheblich geringeren Bedarf spezieller Stoffe.
  4. Im Gegensatz zu tierischen und pflanzlichen Zellen wachsen manche Mikroorganismen in An- und Abwesenheit von Sauerstoff.

Kontamination von Reinkulturen ist in allen betrachteten Anwendungsfällen (Primärkultur, Organkultur, Dauerkultur, biotechnische Produktion, biologische Tests mit Zellen) möglich, muss sicher erkannt, beherrscht und wenn möglich strukturell ausgeschlossen werden. Eine der Hauptquellen von Kontaminationen ist der handhabende Mensch – aber nicht die einzige. Alle Versorgungswege mit Gütern (Chemikalien, Plastik- oder Glasmaterial, Reinigungsmittel, Gase etc.),  aber auch die Güter selbst können Quellen von Kontamination sein. Umverpackungen und Transportvehikel zählen ebenfalls zu unbeliebten Kontaminationsquellen.

Die Versorgung mit Gasen für die Brenner (z. B. Stadtgas), für Brutschränke (Kohlendioxid) erfolgt entweder fest verlegt oder aus einem benachbarten Raum heraus. Gasflaschen gehören auf verschiedenen Gründen zu denen auch die Sicherheit der handelnden Personen gehört, im allgemeinen nicht in einen Zellkulturraum (Es gibt sinnvolle Ausnahmen).

Einige Aspekte von Ver- und Entsorgung sind meist baulicherseits implementiert. Neben der sterilen Zuluft muss eine Abluft vorgesehen sein. Mangelhafter Luftwechsel resultiert in hohem Risiko für die Kulturen und die Handhabenden. Begasungsbrutschränke werden abhängig vom Bedarf in ihnen kultivierter Zellen gerne mit einer CO2-Konzentration von 5 % betrieben. Manche Zellinien benötigen eine CO2-Konzentration von 10 %. Die CO2-Konzentration, Temperatur und Feuchtigkeitssättigung der Luft im Brutschrank wird von diesem kontinuierlich überwacht und geregelt. Häufige Öffnungsvorgänge führen zu erhöhtem Regelbedarf.

Das Abflammen der Öffnungen von Medienflaschen oder Zellkulturflaschen ist eine oft geübte Praxis. Einschalten des Gasstroms, Zündung der Flamme und Löschen derselben erfuhren im Laufe der Zeit Optimierungen, sodass die Betriebszeiten der Brenner deutlich reduziert werden konnten. Dennoch bleibt der kontinuierliche Wechsel der möglichst partikelarmen Raumluft stets zu gewährleisten.

Zellkulturlabors sind nach dem Einbahnstraßenprinzip mit Sackgasse zu implementieren. „Durchgangsverkehre“ sind unbedingt auf ein Minimum zu beschränken. Durchgangsverkehre

  • bewirken turbulente Luftströmungen mit Aufwärtscharakteristik,
  • bewirken eine Zunahme von Kontaminationsgefahr durch Partikel (und Pyrogene) duch im Hintergrund gehandhabte Gegenstände,
  • bergen im Fall des Transports von Abfällen während gleichzeitig stattfindender Reinraumarbeiten an der Werkbank ein besonderes Kontaminationsrisiko.

Zellkultureinheiten zeigen sich nach außen hin meist als mehrschaliges System (wie eine Zwiebel), wobei der Grad der Kontrolle und der Reinheit / Partikelarmut von außen nach innen von Tür zu Tür zunimmt.

Geräte, Material und Installationen, die typischerweise in ein Zellkulturlabor für Dauerzellkulturen gehören:

  • Reinraumwerkbank / Sicherheitswerkbank (Je nach Anforderung Klasse I, II oder III)
  • Stuhl/Hocker mit glattem, abwaschbaren Bezug
  • Gasbrenner (in der Werkbank)
  • Tisch / Ablage unmittelbar neben der Reinraumwerkbank
  • Zellkulturbrutschrank (Inkubator)
  • Inversmikroskop
  • Abfallgefäß für Flüssigabfall
  • Abfalleimer
  • Pipettenständer mit Mikroliterpipetten (Kolbenhubpipetten)
  • Regal/Schrank/Aufbewahrungssystem für einen Handvorrat an Arbeitsmaterial

Geräte, Material und Installationen die in die unmittelbare Nähe des Zellkulturlabors gehören:

  • Zentrifuge
  • Kühlschrank
  • Tiefkühlschrank
  • Garderobe / Schrank für Arbeitskittel und Schuhe zur Benutzung im Reinraum
  • Arbeitstisch
  • pH-Meter
  • Waagen
  • Mikroskop für die Zellzählung / Vitalitätsbestimmung
  • Geringe Vorratsmengen an Verbrauchmaterial, Chemikalien, Gestelle usw.

Nebenräume:

  • Vorratsschränke für Plastikmaterial und Pipettenspitzen
  • -80 °C -Schrank
  • Flüssigstickstoffbehälter für Dauerlagerung von Zellen
  • Trockenschrank
  • Autoklav
  • Spülmöglichkeiten

Umkleidebereich

Ist kein gesonderter Vorraum für den Wechsel der Garderode (insbesondere Straßenschuhe) und das Anlegen eines Kittel vorhanden, kann behelfsmäßig auch ein Breich im Eingang des Zellkulturlabors dafür genutzt werden. Im Garderobenbereich wäre gegebenenfalls auch ein Handwaschbecken sinnvoll implementierbar.

2. Locker area and entry into the laboratory, ein Video des ECACC – https://www.youtube.com/watch?v=YeaZveRaMdY

Eingesetzte Materialien

Alle eingesetzten Materialien müssen leicht zu reinigen sein, wobei ein guter Reinigungseffekt auch mit „sanften“ Putzmitteln (Seifen) erreicht werden muss. Offene oder bioaktive Holzflächen oder Materialien sind zu vermeiden (Stoffe und Bezüge an Stühlen, Vorhängen Jallousien). Böden und Wände sollten fugendicht und abwaschbar ausgeführt sein.

Ausführungen und Anschlüsse

Tische, Schränke, Geräte und Installationen müssen eine Reinigung erlauben und dürfen die Bildung von Staubinseln nicht fördern. Deckenverkleidungen und Lampenumfassungen sollen glatt uns so beschaffen sein, dass sich kein Staub auf ihnen absetzen kann. Anschlüsse von Schränken, Geräten sollen so beschaffen sein, dass mittelbare Kontaminationen wirksam verhindert werden. Meist bedeutet dies, dass entweder eine dichter Anschluss zum Boden oder zur Wand gewährleistet ist und Schränke, die höher sind als das man sie arbeitstäglich auch auf ihrer Oberseite reinigen kann, sollen einen dichen Abschluss zur Decke hin besitzen.

Aufgaben:

  1. Welche CO2-Quellen sind in einem typischen Zelllabor in dem gearbeitet wird vorhanden?
  2. Recheriere Grenzen für CO2-Konzentrationen ab denen a) konzentriertes Arbeiten erschwert wird, bzw. b) ein gesundheitliches Risiko droht.
  3. Was bedeutet „Reinraumklasse“ mit Blick auf Sicherheitswerkbank?
  4. Infwiefern unterscheiden sich Produktschutz und Personenschutz voneinander? Sie arbeiten mit SARS-CoV-2-infizierten Nervenzellen. Begründen Sie die Nutzung einer geeigneten Sicherheitswerkbank.
  5. Begründen Sie, warum das Vorhandensein von Abflüssen im innersten Reinraumbereich unvorteilhaft sein kann.
  6. Skizzieren Sie den Luftstrom einer Reinraumwerkbank mit horizontalem Luftstrom sowie einer Reinraumwerkbank mit vertikalem Luftstrom. In welcher Art bedingt der Luftstrom den Personen- / Produktschutz?
  7. Inwiefern ist ein ausgedehnter Betrieb eines Brenners in einer Werkbank mit vertikalem Luftstrom unvorteilhaft. Skizzieren Sie Luftströmungen in der Werkbank beim Betrieb des Brenneres?
  8. In welcher Weise unterscheiden sich die richtigen Handhabungen von Material bei der Arbeit in der Reinraumwerkbank mit vertikaler bzw. horizontaler Luftströmung? Welcher Unterschied besteht zur Handhabung auf dem freien Tisch bei sterilen mikrobiologischen Arbeiten mit Bunsenbrennerunterstützung?
  9. Warum kann man auch bei Lösungsmitteln wie bevorratetes 96%iges Ethanol oder reinem DMSO nicht von einer Eigensterilität ausgehen?
  10. Wodurch ist der „Sterilbereich“ eines Zellkulturlabors gekennzeichnet?
  11. Formulieren und begründen Sie Regeln für die Arbeit mit Zellen im Zellkulturlabor.

Je nach Art des geforderten Schutzes kann ein Betrieb im Reinraum und konstantem Unterdruck gefordert sein. Türen sich stets geschlossen zu halten, um einen Luftaustausch mit Fluren und Nebenräumen zu beschränken. In Makerspaces und behelfsmäßig eingerichteten Zellkulturlabors kann die Zufuhr der Zuluft als Beimischung über die Zuluftansaugung einer gesonderten Reinraumwerkbank  empfehlenswert sein. Hier eignen sich günstige Werkbänke mit horizontalem Luftstrom.

Nicht für den Gebrauch im inneren Reinraumbereich vorteilhaft sind:

  • Computer, Zentrifuge und andere Geräte mit forcierter Lüftung, die schlimmstenfalls über den Labortisch, in die Werkbank oder einen Inkubator gerichtet bläst.
  • Große Abfallsäcke.
  • Putzgerät und Putzmittel
  • Fenster ohne Lichtschutz, die nach Ost, Süden oder Westen gerichtet sind.

Erfahrungen

Nicht empfohlene Handhabungspraxis im Zellkulturlabor, denn auch am (hier absichtlich) schlechten Beispiel lässt sich lernen: https://www.youtube.com/watch?v=NEBR5Qbsybg von Aigar Vaigu

Aufgabe:

Erstellen und begründen Sie eine Tabelle mit mindestens 10 Fehlern Länge und dem jeweiligen Auftreten des Fehlers.

Im Gegensatz zu obigen Video empfiehlt der Ersteller des Videos diese Umgehensweise im Zellkulturlabor. https://youtu.be/NEBR5Qbsybg Autor: Aigar Vaigu

Aufgabe:

Auch die hier dargestellten Handlungsweisen zeigen noch ein gewisses Optimierungspotenzial. Was würden Sie besser machen wollen? Erstellen Sie wiederum eine (kurze) Tabelle mit „Art der vermuteten Nichtkonformität“ und „Zeitpunkt der Beobachtung im Video“ und „Optimierungsziel“.

Die oben beobachtete Praxis entspricht der generellen Zellkulturpraxis in einem Zellkulturlabor, das vor allem auch Ausbildungszwecken dient.

Seit einigen Jahren gibt es weltweit Bemühungen zur Etablierung einer anerkannten Guten Zellkulturpraxis (Good Cell Culture Practice = GCCP). Eine Grund für diese Bemühungen sind die vielen nicht reproduzierbaren Ergebnisse aus Forschungen, die unter anderem aus Kontaminationen oder Verwechslungen verwendeter Zellen entstanden. Insbesondere zentrale Einrichtungen zur Sammlung und Weitergabe kultivierter Zellkulturen führen darum ein besonders stringentes Regime bei der Handhabung der ihnen anvertrauten Zellen.

Die American Type Culture Collection (ATCC) und European Collection of Autheticated Cell Cultures (ECACC) stellen Sammlungen autentifizierter Zelllinien für die ernsthafte Forschungs- und Prüfungsteätigkeit zur Verfügung. Die ECACC stellt zudem eine Sammlung von Videos zur Verfügung, die einen Einblick in ihre Sicht auf die GCCP abbilden.