Organoid-Zellkultur mit einem verbesserten Ansatz

Ein Einplatinencomputer – wie der RaspberryPi – erscheint komplex. Bauteile mit individuell komplexen Aufgaben, Passgenauigkeit der Bohrungen und Anschlüsse weisen auf hohe Standards bei der Fertigung hin. Die Streuung innerhalb der Bauserie ist sehr gering, sodass der Hersteller wenige individuelle hardware- und fertigungs bedingte Probleme erwarten darf. Ob ein RaspberryPi an der Herstellung von Bauchspeicheldrüsenorganoiden im MIT beteiligt war, wissen wir nicht.

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Von Michael H. („Laserlicht“), CC BY-SA 4.0, Link

Das Äußere eines Eis erscheint gegenüber einem Einplatinencomputer einfach aufgebaut. Zunächst handelt es sich ja auch „nur“ um eine einzelne, befruchtete Eizelle eingehüllt von einer Schale.

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By Veronik80000, own work, CC BY-SA 4.0, Link

Zellen besitzen eine sehr hohe innere Komplexität. Das Zellplasma ist nicht homogen. Aus Zellteilungen gehen nur bedingt gleichartige Zellnachkommen hervor. Schon im Zweizellstadium besitzt jeweils eine Seite jeder Zelle einen Nachbarn. Die sich im Ei bildende Keimscheibe liegt dem Dotter auf. Zellen haben dann Kontakt zu Nachbarzellen. Es gibt eine Außen- bzw. eine Innenseite der Keimscheibe. Neben den Nachbarzellen bestimmen weitere Einflüsse auf die Keimesentwicklung. Die Temperatur des Nests und damit des Eis bestimmt das Geschlecht des sich entwickelnden Krokodils. Endokrine Disruptoren beeinflussen zudem Art und Erfolg der Entwicklung. Dosis-Wirkungsbeziehungen dieser Stoffe folgen ebenso wie die physiologischen Mediatoren oftmals nicht direkt proportional sondern zeigen eine Glockenform. Minderungen und Potenzierungen von Wirkungen in Abhängigkeit zugleich wirkender Einflüsse wie auch des Entwicklungsstands sind die Regel. Minimale Stoffkonzentrationen üben auf diese Weise einen moderierenden Einfluss auf Reifung und Differenzierung aus. Ungestört entwickeln sich aus befruchteten Krokodileiern Individuen, aber mit begrenzt unterschiedlichen Eigenschaften.

Caption: MIT and Cancer Research UK Manchester Institute researchers have developed a synthetic gel that can be used to grow tiny pancreatic organoids, seen here, from human pancreatic cells.
Credits: Courtesy of the researchers

Ziel wissenschaftlicher Forschung sind reproduzierbare, auf Realszenarien übertragbare Ergebnisse. Rückverfolgbarkeit und Nachvollziehbarkeit am besten ergänzt um Rückführbarkeit komplettieren die Wünsche an Qualitätsforschung. Die Reproduzierbarkeit biologischer Forschung steht nicht im besten Ruf, gilt als fragwürdig. Vielversprechende „Ergebnisse“ der Krebs- und Demenzforschung hielten genaueren Untersuchungen nicht stand, sodass selbst finanziell äußerst potente Pharmafirmen ihren Rückzug aus diesen Bereichen verkündeten. Die vielversprechenden Wirkstoffkandidaten mit ihren nochvielmehrversprechenden Vorversuchsergebnissen versagten in den weiteren Phasen der Wirkstoffprüfung. Es steht zu befürchten, dass auch einfache Versuchswiederholungen zu „neuen“ Ergebnissen und nur bedingt zur Bestätigung der Eingangsergebnisse geführt hätten.

Nichtwiederholbarkeit bei Forschungsergebnissen mit Zellen kann viele Ursachen haben. Linda Griffith (Mitautorin des MIT-Papers) sagt dazu: „The issue of reproducibility is a major one.“ Organoide, entwickelt aus induzierten, pluripotenten Stammzellen, können ein großer Schritt auf dem Weg zum physiologisch arbeitenden Organ darstellen. Nicht die Zellen, sondern die „Zutaten“ zur Zellkultur stellen ihrer Meinung nach, die größere Hürde zur Reproduzierbarkeit dar. Neu am MIT-Ansatz zur Herstellung von Bauchspeicheldrüsen-Organoiden ist der Verzicht auf nicht reproduzierbare, nicht rückführbare „Zutaten“. Als Basis zur Herstellung des Zellgerüsts dient Polyethylenglykol (PEG) in dem Peptidliganden für die Interaktion mit den zellulären Integrinen eingebaut werden. Kleine, synthetische Peptide, deren Ursprung Fibronektin sowie Collagen waren, ergänzen die Gelmatrix und unterstützen die Integration unterstützender Stroma- und Immunzellen. Der große Vorteil der neuen Gelkomposition liegt darin, dass sie vollkommen synthetisch ist und deshalb in jedem Labor zu jeder Zeit mit gleichen Ergebnissen hergestellt werden kann.

Die Selbstverpflichtung auf Reproduzierbarkeit gepaart mit dem nachgewiesenen erfolgreichen Wachstum von Zellen in einem Kontext, der dem in vivo-Bild so stark entspricht stellt den besonderen Wert der Arbeit heraus und verspricht endlich verlässlichere Ergebnisse zellbasierter Forschung.

BiowissenschaftlerInnen wünschen sich eine geringe Streuung der Basis ihrer Arbeiten, gering wie die bei der Herstellung des RaspberryPi damit endlich Werkzeuge in einer Qualität zur Verfügung stehen, wie sie die Informatiker, Techniker, Chemiker, Maschinenbauer ….. schon länger nutzen.

Der Einfluss der Qualität für die Organoidherstellung entnommener und zu pluripotenten Stammzellen umgeformter Zellen sollte indess nicht unterschätzt werden. So ist zum Beispiel die Mutationsrate der Mitochondrien von Körperzellen Größenordnungen höher als die der Zellen in denen sie sich befinden, was letztlich einen Einfluss auf die Performance von Organoiden und später Organen haben muss. Die (zum Beispiel) epigenetische Prägung der Zellen in Kultur allein durch Handhabung sollte ebenfalls im Blick behalten werden.

Am Beispiel Embryogenese von Krokodilen wird deutlich, dass es darüberhinaus weitere, entscheidende Einflüsse geben wird. Automatisierung, Überwachung der Qualität und Inhaltstoffe verwendeter Handhabungsgegenstände (Kulturschalen, Flaschen, Pipetten …), Eleminierung des Faktors Mensch …. Trotzdem: Ein großer Schritt wurde auf dem Weg in Richtung verlässliche und übertragbare Toxizitätstests, Organoidimplantatgenese sowie Krebsforschungsergebnisse mit physiologischer Relevanz getan.

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