Moderne Verfahren der Erregeridentifikation

geben wenig Auskunft über Empfindlichkeit gegenüber antibiotische Behandlungsmethoden, aber helfen, den Stamm- oder die Spezies zu identifizieren. Der Spiralplater, Anreicherungsmedien, selektive Nährmedien etc. haben noch nicht ausgedient. Eine Voraussetzung für die Identifikation des Erregers bleibt die artreine Kolonie. In den Wettbewerb zu einer Kaskade von Spezifikationsschritten inklusive der genetischen Identifikation (mit ihren Grenzen) tritt das MALDI-TOF-MS-Verfahren. MALDI steht für Matrix-assisted Laser Desorption/Ionization, TOF steht für „time of flight“ und MS steht für Mass-Spectromtery). MALDI-TOF-MS Verfahren sind schnell und liefern einen hohen Probendurchsatz. Sie sind jedoch entfernt von Unfehlbarkeit, sodass alternative Verfahren wie biochemische, immunologische und genetische Charakterisierung nicht ersetzt sondern ergänzt werden. Im medizinischen Kontext gesprochen: Die Diagnose stellt der Arzt und nicht das Gerät. Es kann gute Gründe geben, über die erste Analyse hinaus, eine klassische Charakterisierung und Identifikation vorzunehmen, da es bei manchen Erregerspezies zu Fehlinterpretationen kommen kann, wie man unter anderem dem folgenden Video entnehmen kann.

 

Um die Macht und Ohnmacht dieser Technik einschätzen zu können, ist ein grundsätzliches Verständnis der ihm zugrundeliegenden Physik und Chemie hilfreich.

Eine Analyse mittels MALDI-TOF ist demzufolge auch mit großen, organischen Molekülen wie Proteinen, Zuckerpolymeren und Lipiden möglich, weil diese nicht selbst verdampfen müssen, um als Einzelmoleküle in einen gasförmigen Zustand zu gelangen. Eine chemische „Hilfskonstruktion“ liegt in Form definierter Moleküle (als Matrix) vor, die den Lichtimpuls Licht eines UV-Laserstrahls absorbieren, dadurch verdampfen und dabei in ihrem Dampfstrom große Nachbarmoleküle mitreißen.

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Von MikayéEigenes Werk, CC BY-SA 3.0, Link

Die verwendeten Matrixmoleküle besitzen die zusätzliche Eigenschaft, ein Proton (selten auch mehrere) auf das zu untersuchende Molekül (Analyt) übertragen zu können und es so zu ionisieren. Ein elektrisches Feld beschleunigt zuvor ionisierten Analyten mit einem bestimmten Energiequantum. Mit Energiequantum ist eine bestimmte „Energiemenge“ gemeint. Leichte Moleküle mit einer Ladungseinheit erreichen dabei eine höhere Geschwindigkeit als schwere, massereiche Moleküle. Am Ende einer durch ein Vakuum verlaufenden Wegstrecke stellt ein Detektor/Empfänger das Eintreffen von Ladung fest. Die leichten und auf höhere Geschwindigkeiten beschleunigten Ladungen / Moleküle treffen vor den schwereren und damit auf geringere Geschwindigkeiten beschleunigten Ladungen / Moleküle ein. Die jeweilige Molekülmasse bestimmt somit die Reihenfolge des Eintreffens. Leichtes Molekül = kurze Flugdauer; schwereres Moleküle = längere Flugdauer. In der Realität der Chemie kann es auch zu Mehrfachladungen pro Molekül oder zur Bildung von Bruchstücken von Molekülen kommen. Dies ist durch geeignete Wahl der „Matrix“ und Ionisationsbedingungen zu verhindern.

(Beispiel: Ein Schnapsglas mit 20 cm³ Benzin enthält eine bestimmte Energie. Mit dieser Energie lässt sich ein typischer SUV von 0 auf 20 km/h beschleunigen. Ein Auto mit geringerer Masse wie z. B. ein Smart lässt sich damit von 0 auf 110 km/h beschleunigen. Beschleunigen beide Fahrzeuge parallel zueinander und rollen reibungsfrei ein Stück weiter, so erreicht der Smart sein Ziel zuerst.)

Mit dem Einsatz kompletter Organismen gewinnt die Analytik enorm an Komplexität. Dem Haustier der Mikrobiologen E. coli werden 4288 unterschiedliche Proteine zugeschrieben, deren mengenmäßige Ausprägung unter anderem vom Stoffwechselzustand des Bakteriums abhängt. Somit kann der Stoffwechselzustand des der Bakterium das im MALDI-TOF erhaltene Muster, die sich aus zeitlicher Folge und Intensität/Menge der im Detektor empfangenen Moleküle ergeben, beeinflussen. Ein Programm vergleicht das in einer Analyse erhaltenen Muster mit einer Bibliothek bekannter Muster und bestimmt die Übereinstimmung zu bekannten Mustern. Der besondere Vorteil der MALDI-TOF-Analytik von Bakterien liegt in der Geschwindigkeit mit der eine Zuordnung von Einzelkolonien im Vergleich zur molekularbiologischen und klassischen mikrobiologischen Analytik. Die Qualität der Probenahme und der vorbereitenden Analytik bis zum Erhalt verwertbarer Kolonien entscheidet die Verwertbarkeit der Ergebnisse.

Die klassische Färbung nach Gram hat noch lange nicht ausgedient. Hinzugekommen ist die Auswahl der geeigneten Matrix, ein noch viel sorgfältigerer Umgang mit Reagenzien und deren Auswahl sowie eine neuer, technischer Kosmos.

Die Optimierung der Probenvorbereitung hängt sowohl von den erwarteten Mikroorganismen, deren Menge wie insbesondere auch deren Kulturmedien ab. Festgelegte Protokolle (SOP) unterstützen die Fachkraft.

Quellen:

Aus der Zeitschrift BIOspektrum; 07.10; 16. Jahrgang: MALDI-TOF-MS in der mikrobiologischen Diagnostik