Zur Kultur der Menschen gehören die Verwendung von Werkzeugen, das Behandeln von Krankheit mittels Natur oder Pharma, das Ornamentieren der Physiognomie ebenso wie der Gebrauch chemischer Erzeugnisse.
Östrogensensitive MCF7-Zellen |
Mit Chlamydien infizierte MCF7-Zellen |
Ian P Newton & Paul L Appleton, CC BY-SA 4.0, via Wikimedia Commons | González E, Rother M, Kerr M, Al-Zeer M, Abu-Lubad M, Kessler M, Brinkmann V, Loewer A, Meyer T, CC BY 4.0, via Wikimedia Commons |
Der sichere Gebrauch technischer Kultur und die Kultur von Zellen stehen in inhaltlicher Wechselbeziehung. Lippenstift und Kosmetik stehen in diesem Zusammenhang exemplarisch als Ausdruck für technische „Kultur“. Sonnencreme, Lacke, Kunststoffe, Medikamente könnten ebenso an dieser Stelle stehen.
Viele kosmetische Produkte enthalten zum Beispiel Parabene. „Wie gefährlich sind Parabene in Kosmetika?“ titelte Bayern1 einen Betrag. Stylebook.de fragt „Wie (un)gesund ist eigentlich Lippenstift?“ Die Berliner Morgenpost veröffentlichte 2016 den Beitrag „Parabene werden zum Hormon-Cocktail im Lippenstift“ Die EU hat mittlerweile die Verwendung einiger Parabene eingeschränkt. Wie kommt man auf die Idee hormonartiger Wirkungen eines Stoffes? Bei der Antwort auf diese Frage können Untersuchungen mittels Zellkultur helfen.
Nicht alles am Lippenstift wird vermutlich „(un)gesund“ sein. Die Deklaration der Bestandteile führt beispielsweise „Parabene“ als Konservierungsstoffe zutage. Parabene finden sich vom Methyl bis zum Butyl- oder Phenylparaben.
Das R im Molekül steht für unterschiedliche Gruppen. Im einfachsten Fall eine als Ester verbundene Methyl-Gruppe.
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Von <a rel=“nofollow“ class=“external text“ href=“http://tools.wikimedia.de/~daniel/WikiSense/Gallery.php?wikifam=commons.wikimedia.org&wikilang=en&order=-img_timestamp&img_user_text=Jorgebarrios&ofs=0&max=250″>Jorge Barrios</a> – <span class=“int-own-work“ lang=“de“>Eigenes Werk</span>, Gemeinfrei, Link | Inwiefern kann der Stoff schädlich sein?
Womit / Wie ist die Toxizität zu untersuchen? |
Ohne Hormone funktioniert kein Organismus. Hormone sind Signalstoffe, die einen Rezeptor benötigen, um eine Wirkung ausüben zu können. Im genannten Fall also die Hypothese, Parabene üben eine Wirkung auf für ein bestimmtes Hormon empfindliche Zellen aus. Es wird ihnen eine östrogenartige Wirkung zugeschrieben. Es gibt 2 unterschiedliche Östrogenrezeptoren. Östrogene Wirksamkeit stellt sich in verschiedenen Geweben unterschiedlich dar. Stoffe mit Östrogenwirkung, wirken nicht auf alle Gewebe gleichartig. Die Themen „Kompetenz von Zellen“ und „Wirkung von Signalmolekülen“ an anderer Stelle später mehr.
Ein Werkzeug zur Untersuchung möglicher östrogenartiger Wirkung könnten die oben dargestellten MCF-7-Zellen sein. Sie wurden in 1970 aus metastatisierendem Brustkrebsgewebe einer 69jährigen Frau in Kultur genommen und können heute zum Beispiel über das die DSMZ beschafft werden. Das MCF stellt laut englischsprachiger Wikipedia ein Acronym für „Michigan Cancer Foundation-7“ dar. Diese, sowie zwei weitere Zelllinien werden von 2/3 der veröffentlichten Brustkrebsstudien in Untersuchungen verwendet.
Eigenschaften der MCF-7-Zellen:
- Besitz von Östrogenrezeptoren
- Proliferative (zellvermehrende) Antwort auf Östrogene
- Besitz von Progesteron-Rezeptoren.
Vorteilhaft für die Studien:
- Proliferation der Zellen kann durch TNF-α moduliert / gehemmt werden
- Antiöstrogene modulieren / hemmen die Ausschüttung von insuline-like-growth-factor Proteinen
- Bestimmte Fettsäuren und weitere Stoffe können die Proliferation hemmen.
Eine beliebte Methode zur Untersuchung der metabolischen Aktivität von Zellen ist der MTT-Test. Vielen Untersuchungen setzen die Zu- oder Abnahme metabolischer Aktivität in Zellkulturen mit Zellvermehrung (Proliferation) und Zelltod gleich. Zwar korrelieren die Farbreaktion des MTT-Test zwar mit diesen Eigenschaften, die Schlussfolgerung ist jedoch nicht wirklich bijektiv (also streng eineindeutig). Der MTT-Test bestimmt nach neuerer Lesart die Aktivität der Glykolyse und damit des Stoffwechsels und hängt von Enzymen des Endoplasmatischen Retikulums ab. Die beteiligten Enzyme reduzieren gelbliche Tetrazoliumsalz 3-(4,5-Dimethylthiazol-2-yl)-2,5-diphenyltetrazoliumbromid mittels NADH und NADPH zu einem wasserunlöslichen, violetten Farbstoff.
Von AngelHerraez Rogan Grant – <a class=“external free“ href=“https://commons.wikimedia.org/wiki/File:MTT_reaction.png“>https://commons.wikimedia.org/wiki/File:MTT_reaction.png</a>, CC BY-SA 4.0, Link
Von <a href=“//commons.wikimedia.org/wiki/User:Shinryuu“ title=“User:Shinryuu“>Shinryuu</a> – <span class=“int-own-work“ lang=“de“>Eigenes Werk</span>, Gemeinfrei, Link
Das in der obigen Mikrotiterplatte dargestellte Ergebnis zeigt eine von links nach recht zunehmende Umsetzung des MTT, was im Proliferationstest als zunehmende, proliferierende Aktivität gewerte würde. Mittels Mikrotiterplattenfotometer, wie es auch in den ELISA-Techniken verwendet wird, lässt sich die genaue Extinktion bei 570 nm bestimmen. Extinktion von Zellschrott und Hintergrund wird bei 630-650 nm gemessen und von der bei 570 nm gemessenen Extinktion subtrahiert, um das zellvitalitätsdominierte Signal besser darzustellen. Ein Skript zu einem Zellassay-Praktikum, das auch MTT verwendet findet sich hier.
Obwohl für verschiedene Parabene eine östrogenartige Wirksamkeit belegt ist und Brustkrebszellen reagieren, scheint der unmittelbare Nachweis im Proliferationstest mit MTT nicht mit sinnvollen Parabenkonzentrationen nicht die erwarteten Ergebnisse zu zeigen. Die Tatsache von Wirkungen belegen andere Verfahren eindrucksvoll, wie in dem Artikel „Interference of Paraben Compounds with Estrogen Metabolism by Inhibition of 17β-Hydroxysteroid Dehydrogenases“ von R.T. Engeli et. al. im International Journal of Molecular Sciences in ihrem Beitrag von 2017 beschreiben. Ergebnisse von Untersuchungen mit Zellkulturen sind Ergebnisse, die mit komplexen, lebendigen Entitäten ermittelt wurden. Ihren Einfluss auf die Proliferation üben Parabene indirekt aus. „Unerwartetes ist stets zu erwarten!“ Um voreiligen und falsche Schlussfolgerungen den Boden zu entziehen, sei das Studium des folgenden Guides der OECD empfohlen, der zugleich Elemente der Good Cell Culture Practice (GCCP) enthält Guidance Document on Good In Vitro Method Practices (GIVIMP). (<200 Seiten)
Ein Beispiel für die Verwendung von MTT in Proliferationshemmtests unter Verwendung der MCF-7 und anderer Zelllinien gibt die Arbeit „Cytotoxicity of eupatorin in MCF-7 and MDA-MB-231 human breast cancer cells via cell cycle arrest, anti-angiogenesis and induction of apoptosis„. Sie untersucht spezifische zytotoxische Effekte von Eupatorin auf menschliche Krebszellen.
Einen Überblick über Tests der Vitalität von und mit Zellen verschafft das „Assay Guidance Manual“ in seinem Kapitel „Cell Viability Assays“ vertieft auf etwa 530 Seiten. Dort finden sich auch Hinweise auf dringend gebotene Authentizierung von Zelllinien, die in Untersuchungen eingesetzt werden. Diese Angaben beziehen sich auf die im Juli 2016 revidierte PDF-Version (57 MB) mit einem Gesamtumfang von etwa 1300 Seiten.
Schlussfolgerungen:
Zelluläre Testverfahren sind nicht trivial. Ihre Ergebnisse sind nicht immer im erwarteten Spektrum eindeutig, auch dann nicht, wenn sie korrekt durchgeführt werden. Nicht eingegangen wurde im vorangegangenen Text auf die Auswirkung von Kontaminationen durch Mycoplasmen auf Testergebnisse. Lebende Zellen besitzen einen komplexen Metabolimus. In Zellkulturen liegen sie meist artifiziell orientiert vor. Keinen Bezug zur Basalmembran, zu anderen Zelltypen ….. Mit ihnen erzielte Ergebnisse bedürfen stets vorsichtiger Interpretation.
Die oben verlinkten Texte zu Paraben und Co berücksichtigen zahlreiche praktische Gegebenheiten und Szenarien nicht. Parabene reichern sich in fettreichen Gewebe der weiblichen Brust an. Die Wirkung von Parabenen auf ungeborenes Leben bleibt ausgeklammert, jedoch ist die Negation einer Wirkung unplausibel. Ein vollständiger Organismus stellt sich um Größenordnungen komplexer als eine Zelllinie dar. Durch Metabolisierung können ungezählte, teilweise toxischere Zwischenprodukte entstehen.