Fake in Science

Veranstaltung, Denkanstöße & Raum für Lösungen

Gemeinsam mit dem Technik Salon hatte der Digitale Salon zu seiner Veranstaltung „Fake in Science – Schummeln in der Wissenschaft“ eingeladen. Der Journalist Peter Onneken präsentierte im Wesentlichen Videosequenzen, die dem als Beitrag am 24.7.2018 im WDR im Rahmen der Quarks-Reihe gesendeten Feature „Betrug statt Forschung – Wenn Wissenschaftler schummeln“ entnommen waren.

Wenn es auch das gleiche Video war, so entspricht der Inhalt des Videos, dessen Bildmaterial hier kommentiert und in Abschnitten dargeboten wurde, eher dem Veranstaltungstitel als dem Titel der 2018 im WDR ausgestrahlten Sendung.

Der Titel der Sendung legt bewusste Täuschung von Wissenschaftlern nahe. Die Veranstaltung stellte im Wesentlichen die Problematik unseriöser Verlage dar. Unseriös in der Hinsicht, dass es offensichtlich kein inhaltliches Überprüfen von Manuskripten durch qualifizierte, unabhängige Wissenschaftler des veröffentlichenden Verlages gibt (Peer Review). Eine Schwachstelle im Publikationsverfahren, die dem Vernehmen nach bewusst genutzt wurde und wird. Nicht unüblich sind Geldtransfers für die Veröffentlichung eines wissenschaftlichen Betrags.

„Gute“ Verlage zeichnen sich durch das kritische Verfahren zur Überprüfung der inhaltlichen Qualität eines zur Veröffentlichung eingereichten Beitrags aus. Oft wird im Zuge des Veröffentluchungsverfahrens ein Beitrag von den Autoren überarbeitet, werden Daten ergänzt und neu bewertet. Da Geld für eine Veröffentlichung bezahlt wird, kann dieses Verfahren attraktiv für Verlage sein, die einen Teil des Verfahrens „verschlanken“, Kosten sparen und so einen Vorteil daraus ziehen – zu Lasten von Qualität.

Zitierfähige Beiträge in möglichst renomierten Zeitschriften wiederum bilden eine der wesentlichen Messlatten im derzeitigen Wissenschaftsbetrieb. Publikationsindex, Zitierhäufigkeit sollen ein Maß für die Produktivität und Qualität von Wissen Schaffenden, also eine Art von Vergleichbarkeit, suggerieren; in gewisser Weise wie ein Vorläufer im Ringen um Follower auf Facebook, Instagram und Youtube; zugleich eine Art von Selfi von und für Menschen im Wissenschaftsbetrieb.

Betroffenheit an der Uni-Hannover

An der Universität Hannover führte die im Fernsehen und nun auch auf dieser Veranstaltung entlarvte Veröffentlichungspraxis zu einiger Unruhe, denn auch Mitglieder dieser Hochschule hatten in nun für dubios erklärten Verlagen publiziert.

Prof. Dr. V. Epping, Präsident der Universität Hannover, formulierte Betroffenheit in seinen Grußworten. Ein Problem auf Seiten der Hochschule, schon gar ein prinzipielles Problem, mochte er nicht erkennen. Man habe gründlich untersucht und kein schuldhaftes Verhalten gefunden. Gedanken zu prinzipiellen Problemen etwa des Systems brachte er nicht zum Ausdruck. Die Frankfurter Allgemeine Zeitung zitiert Prof. Dr. B. Kempen, Präsident des Hochschulverbandes, der Jurist wie Prof. Dr. V. Epping ist, zu dem beschriebenen Sachverhalt mit einer differenzierteren Stellungnahme und deutlich anderer Stoßrichtung: Plagiate seien künftig sorgfältiger zu verfolgen, die Leistungsmessung nach bibliometrischen Verfahren sei zu überdenken.

Raum für Fragen und Lösungsansätze

Die von Peter Onnecken vollzogene Köpenickiade bietet Raum für eine deutlich andere Betrachtungsweise und möglicherweise unbequeme Fragen.

Warum entlarvte keiner der anwesenden Akademiker auf den von Herrn Onneken besuchten Konferenzen die den Vorträgen zugrunde liegende Substanz mit kritischen Fragen als Fake?

Geschätzt zwischen 60 und 80 % der biomedizinischen Beiträge in den hoch gelobten „echten“ Journals mit funktionierenden Peer Review sind falsch oder nicht wiederholbar, sodass schon von einer „Replikationskrise“ gesprochen wird. Große Pharmaunternehmen ziehen sich aus der Entwicklung von Medikamenten zur Therapie oder Vorbeugung von Demenzen zurück, weil in wissenschaftlichen Studien als vielversprechend eingestufte Substanzen ihre Versprechen nicht einlösen konnten. Warum fragte niemand nach Belegstudien oder Dosiswirkungsbeziehungen, minimal wirksame Dosierung, angenommene Wirkmechanismen im von Peter Onneken vorgestellten Präparat?

Studien und Veröffentlichungen stehen meist am Ende eines Bildungsweges, der selbst nie endet. Fördert dieser Weg schwache Ergebnisse und schwache, zur Selbst- und Fremdkritik unfähige Forschung? Ein Indiz dafür wären nicht offensiv gehandhabte Interessenkonflikte. Studierende wünschen schnelle, gute Abschlüsse; Hochschulen sind gehalten, geringe Abbrecherquoten zu erzielen. Nachgewiesene fachliche und praktische Kompetenz ist keine invariante Größe, keine Messlatte, die alle Jahrgänge in gleicher Höhe zu überwinden haben. Wenigstens in den zur Hochschulreife führenden Schulkarrieren gilt eine klassenbezogene Höchstgrenze für den Anteil nicht ausreichender Leistungen. Nicht alle Klassen sind gleich.

Studierende führen zum Teil Praktika durch, bei denen sich bis zu 4 Personen einen Praktikumsplatz teilen. Effektives Lernen gestaltet sich anders. Geldmangel ist eine oftgenannte Ursache. Darüberhinaus erarbeiten Studierende oft Gemeinschaftsprotokolle. Gemeinschaftsprotokolle könnten geeignet sein, den eigentlichen Beleg von Kompetenz der mutmaßlich geeignetsten Person zu überantworten, weil ein gemeinsames Interesse an der guten Note besteht.

Biologische Versuche benötigen in der Regel Zeit und mehrfache Kompetenz. Die Mehrzahl der Forschungsarbeiten führen Menschen durch, denen Qualitätssicherung fremd ist. Dem Studienabschluss mit zum Teil angeleiteter praktischer Arbeit folgt eine „selbstständige“ wissenschaftliche Arbeit. Den Inhalt / Titel vergibt eine betreuende, habilitierte Kraft. Das Thema der Arbeit kann freie Überlegung, als Fortsetzung eines mutmaßlichen Ergebnisses einer Vorgängerarbeit, im Rahmen eines Forschungsprojekts entstanden sein. Eine Validierung als Basis oder eine unabhängige Bestätigung der Voraussetzungen liegt in der Regel nicht vor. Die natürliche und logische Entwicklung eines Forschungsergebnisses

Versuchsplanung ->Versuchsdurchführung -> Versuchsauswertung

ist von Grund auf gestört. Das Ergebnis liegt oft schon in der „Fragestellung“, denn negative Ergebnisse sind unpopulär. Eine Versuchsplanung legt nicht nur die versuchspraktischen, sondern ebenso die in der Auswertung anzuwendenden statistischen Verfahren fest, beschreibt Kontrollen, Mess- und Aussageunsicherheiten und vieles mehr. Die Versuchsdurchführung setzt eine Schulung und Freigabe nach erwiesener und zugemessener Kompetenz für die geplanten Verfahren voraus. In der Praxis erscheinen Promovierende mit einem Sack voller „Ergebnisse“, denen zum Teil via Statistik Relevanz einzuhauchen ist. Die Frage: „Durch welche unabhängigen Untersuchungen wurde bestätigt, dass die verwendete Zelllinie mit der behaupteten Identität der Zelllinie identisch und rein ist,“ bringt oft erste Verlegenheiten an den Tag. Neben den weiter unten zitierten Dokumenten von Eurolab-d.de oder Eurachem.org zur Qualitätssicherung in Forschung und Entwicklung; Validierung …… könnte auch ein Blick in die Normenbibliothek helfen, die ganz aktuelle Überarbeitungen von Normen für die Mikrobiologie bereithält. DIN 58959-6:2016-12 – Entwurf; „Medizinische Mikrobiologie – Qualitätsmanagement in der medizinischen Mikrobiologie – Teil 6: Anforderungen an Prüforganismen und ihre Verwendung bei der Leistungsprüfung“ ist eine Ableitung der von der Eurachem geforderten Vorgehensweise. Die mit Zellkulturen forschende Praxis macht sich hier wie ein Gegenentwurf aus.

Streuung von Ergebnissen ist Normalität. Planungen setzen Vorwissen und Kompetenz nicht nur in der Biologie sondern auch in der Statistik und Qualitätssicherung voraus. Kein Ergebnis kann besser als sein schwächsten Glied sein. Die Kontrollen, ggf. Messbereichsgrenzen, Qualität des Materials spielen eine große Rolle auf dem Weg zum Ergebnis. Selten bis nie hält man sich an wenigstens die Grundelemente von qualitätsgesicherter Forschung (Qualitätssicherung in Forschung und Entwicklung) Regelkartentechnik, Bestimmung der Messunsicherheit, Validierung von Methoden, Guten Zellkulturpraxis sind den meisten Absolventen der biologischen oder chemischen Wissenschaften fremd. Auch Forschenden bleiben am Ende oft nur Selbstzweifel als einziges Korrektiv, dabei steht das entsprechende Wissen zum Beispiel in der Dokumentenübersicht von Eurolab-d zur freien Verfügung. Woher sollen Studierende ihre Kompetenz erhalten, wenn Lehrende ihre eigene Inkompetenz ignorieren? Einen großen Beitrag zur Replikationskrise leisten Forschungsergebnisse, die mithilfe von Zellkulturen entstanden. Anleitungen zur guten Zellkulturpraxis gibt es seit mehr als 20 Jahren. Angesichts des Ausmaßes und der Ignoranz der Forschenden wurden sie von Panies et. al 2018 erneut zusammengefasst und ergänzt. (Zu finden als PDF am Ende der Seite).

Warum gehören grundsätzliche und übergreifende Einführungen in als richtig und wichtig erkannte Verfahren der Qualitätssicherung nicht längst in alle wissenschaftlichen und technischen Ausbildungen? – Nicht als eigenes Fach, sondern gelebter Teil eines Systems.

Lösungsansätze

Viele Probleme ergäben sich nicht, würde eine konsequente Ergebnisnachsorge zu jeder Publikation praktiziert. Forschende publizieren und verschwinden / wechseln „Thema“ wie Diebe das Betätigungsfeld.

Wo läuft es besser und wie läuft es besser? Makeransatz!

Ein Maker entwickelt ein praktisch verwendbares Gigapixel-Mikroskop.

Seine Entwicklung veröffentlicht er unter Desktop Gigapixel Microscope  auf der Plattform Instructables.

Damit der Nutzen und die Qualität wie auch das Ergebnis möglich gut nachvollziehbar ist, veröffentlicht er eine detailierte Bauanleitung und erklärungen. Alle sollen profitieren, nachvollziehen und verbessern können (OpenSource-Gedanke)

Die Kommentarfunktion der Plattform erlaubt Fragen und Antworten zum vorgestellten Projekt. Das Projekt „lebt“ auch nach seiner Veröffentlichung weiter.

Rezipierende können positiv wie negativ reagieren, eine „Fork“ oder „Spawn“ ableiten und ihre eigenen Erweiterungen ausführen oder in anderen Fällen dem Projekt beitreten.

Probleme und Schwachstellen werden in solch einem Rahmen offen diskutiert.

Eine Vielzahl von Lösungsansätzen und Lösungen bietet auch das in der Umsetzung befindliche MakerDB-Konzept der Technik-Garage.

Wissenschaft braucht den Makeransatz!

Links und Quellen:

Fake in Science | Technik-Salon am 11. April 2019 | mit Peter Onneken

 

 

 

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