Licht und Schatten – was Zahlen zeigen und verschweigen

Zahlen entstehen oft als Ergebnisse von Untersuchungen / Prüfungen. Entstehen Zahlen in einem beispielsweise zeitlichen Kontext, kann eine Schätzung des weiteren Verlaufs der Zahlen aus dem vergangenem Verlauf versucht werden. Änderungen in der Art und Intensität der Erhebung können Schätzungen/Prognosen stören. Der „Wochenenderhebungsfehler“ ist ein typisches Beispiel solch einer zyklisch auftretenden Störung. Wobei klar ist, dass ein Wochenendgeschehen die Ausbreitung des SARS-CoV-2-Virus per se nicht behindert haben kann, denn von der Infektion bis zur Nachweisbarkeit des Virus vergehen circa 5 Tage. Würde das Wochenendgeschehen die tatsächliche Ausbreitung wiedergeben, müssten die Zahlen der Neuinfektionen jeweils Donnerstags und Freitags sinken (also 5 Tage nach dem Wochenende).

Entnommen aus: https://experience.arcgis.com/experience/478220a4c454480e823b17327b2bf1d4/page/page_1/

Andererseits: Wie plausibel ist eine Annahme, die davon ausgeht, dass weniger Neuinfektionen insbesondere 5 Tage vor dem Wochenende stattfinden, wenn bekannt ist, dass durch Arbeit/Schule/Einkauf während der Woche deutlich mehr Verkehr und Begegnung stattfindet als am Wochenende?

Die Lichtseite in den Daten

Der Verlauf der Neuinfektionen ab dem 15.12.2020 suggeriert ein signifikantes Absinken der Neuinfektionen, was auf eine Wirkung der Beschränkungsmaßnahmen andeuten könnte. Andererseits wurde die Testintensität zum Jahresende hin signifikant gemindert und Wochen zuvor die Teststrategie geändert. Beides beeinflusst die Anzahl der Tests, wie der wöchentliche Verlauf der Testanzahlen zeigt. Die obige Darstellung enthält nicht die aktuellen Fallzahlen der Neuinfektionen. Am 8.1.2021 wurden 31.849 Neuinfektionen für den 7.1.2021gemeldet. Die Daten der folgenden Abbildungen sind der Webseite des Robert Koch Instituts entnommen, welches sie im Format einer bekannten Tabellenkalkulation zur Verfügung stellt. Eine gute Darstellung der Verläufe findet sich auch unter „Pandemie im Überblick“ der FAZ.

https://www.rki.de/DE/Content/InfAZ/N/Neuartiges_Coronavirus/Testzahl.html

 

In der letzten Woche wurde zum Teil weniger als halb so viel getestet wie noch in der KW43 (19.10-25.10.2020). Da mehrere Einflussfaktoren zugleich geändert wurden, lässt sich der Einfluss der Änderungen nicht ohne weitere Daten schätzen. Auf der Basis der Testintensität (verglichen vor und während der Weihnachtsfeiertage) wäre mindestens eine Halbierung der Neuinfektionszahlen zu erwarten. Dieses belegt die Grafik der Neuinfektionen. Zudem sollten diese eher mit den Wochenendzahlen verglichen werden als mit den Zahlen der Wochenverläufe.

 

Der Verlauf der Positivenrate bestätigt die Wirksamkeit der Einschränkungsmaßnahmen ebenso wie er die insgesamt vernünftige Umsetzung nahelegt.

Wenn einerseits in der KW2 von 2021 die Testintensität halbiert wurde und sich andererseits der Anteil der positiven Corona-Tests massiv erhöht hat, dann hätte eine Nichteinhaltung der Einschränkungsmaßnahmen zu einer deutlichen Erhöhung der Neuinfektionen führen müssen.

Die dunkle Seite der Daten

Die zuvor formulierte Schlussfolgerung erlaubt eine Projektion des pandemischen Geschehens für die kommenden Wochen unter der Annahme, dass der Anteil der immunisierten Bevölkerung noch gering bleibt. Der Anstieg der Positivenrate kann mehrere Ursachen haben. Eine davon wäre die Ausbreitung der in Großbritannien und Südafrika beobachteten, infektiöseren Variante von SARS-CoV-2. Erste Schätzungen gehen für Deutschland derzeit von einer noch geringen aber zunehmenden Beteiligung am Infektionsgeschehen aus. Der Anstieg der Positivenrate fordert eine umgehende Klärung. Die harmloseste Erklärung ergäbe sich aus einem geänderten Testkandidatenaufkommen oder Testregime. Reisetätigkeit von Superspreadern wäre eine unangenehmere Erklärung. Die Ausbreitung neuer Varianten, die Entstehung neuer Mutationen, begünstigt durch Evolutionsdruck und mutationsfördernde Maßnahmen (z. B. UV-c in Luftreinigern, die in viroidbelasteten Umgebungen unsachgemäß verwendet werden) ist zeitnah nur zu erkennen, wenn ausreichend häufig Sequenzierungen in einem planvollen Probenahmeregime durchgeführt werden.

Bewertung

Wäre die Pandemie eine wissenschaftliche Studie, dann wären

  • die Vermeidung von Änderungen von Teststrategien,
  • eine Anzahl geeigneter Kontrollgruppen,
  • keine oder eine kontrollierte Interaktion mit Nachbarpopulationen usw

zu fordern. Es ist jedoch keine wissenschaftliche Studie, keine virtuelle Welt. Die Zahl der Neuinfektionen wird weiter steigen. Kontaktbeschränkungen sind wirksam. Dies gilt auch für Schulen und Hochschulen, denn auch Lernende sind Menschen, die zu Überträgern werden können.

Durch die anlaufenden Immunisierungen ändern sich Basisdaten ebenso wie durch Mutationen. Nachdem der erste Wettlauf zu Eindämmung der Pandemie verloren wurde befindet sich die Welt mitten in einem zweiten Wettlauf. Impfungen, Kontaktbeschränkungen … Nachverfolgungen und Isolation auf der einen Seite gegenüber Einschränkungsmüdigkeit, erhöhter Infektiosität neuer Varianten, Entstehung neuer, Varianten gegen die keine Immunität aufgebaut wird.

Man weiß noch viel zu wenig über Langzeitfolgen der Infektionen, aber das Wenige erscheint beunruhigend genug. Nicht die Infektion oder eine mögliche schwere Erkrankung sondern die möglicherweise (vermutlich) bleibenden Schäden im Zentralnervensystem müssen besorgt machen.
https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC7518400/

Sie betreffen möglicherweise erst verzögert auch Menschen, die einen unauffälligen Verlauf der Infektion durchlebten. Manchen Viren gelingt sogar der Sprung in die Keimbahn. Das bei Kleinkindern bekannte Dreitagefieber beruht auf einer vererbten Infektion mit einem Herpesvirus.

Die neuartigen und zur Impfung gegen SARS-CoV-2 eingesetzten Impfstoffe machen aufgrund der Anpassungsmöglichkeit des Impfstoffes an Mutationen des Zielantigens (Protein auf dem Virion) große Hoffnung. Neue Variante -> neuer Impfstoff und eingeübtes Impfregime. Da sollte es nur einen Sieger geben können.

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