Auch nach einigen Wochen schlagen die Wellen hoch: „Papers and patents are becoming less disruptive over time“. So der Titel einer Publikation in der Nature. Eine Fleißarbeit – zugegeben -, aber eine eher akademische. Es lassen sich viele gravierende Gründe zur „Erklärung“ herbeidiskutieren. Von insuffizienter Vorbildung, Druck des Systems, großen Mengen akademischen Futters, das zunächst zu verdauen sei, bis zu zu den Neonicotinoiden, die ja leider die Hirnentwicklung beeinträchtigen. Pessimismus sieht immer schlau aus, aber wie hart sind die Belege? Darf man von der schieren Menge Publizierender und Publikation auf zu erwartende Höhe und Reife von Forschung schließen? Lässt der Vergleich der absoluten Zahl lebender Menschen einen Schluss auf bahnbrechende Forschungsergebnisse zu? Wie sollte das gemessen werden? Milliid pro Tag und Forschender? „Milliid“ als 1000stel einer bahnbrechenden Idee, ausgeworfen als Megapub.
Durchbrüche haben ihre Zeit und ihr Umfeld. Umwälzungen und Transformation verlaufen disruptiv und nicht linear. Posthoc-Analysen führen deshalb vermutlich am Ziel vorbei.
Computer und Internet in allen Händen mit Leistungen, die früher Mondlandungen zum Kinderspiel gemacht hätten. KI auf der Schwelle zum neuen Universalwerkzeug (oder der Mensch als Werkzeug der KI). Transformation und bahnbrechende Entwicklung stehen nicht synonym für „wünschenswerte Entwicklung“. „Chance“ und „Potenzial“ sind nicht die Vorstufe von neuer Realität, das wussten schon Isaac Asimov und der schuf deshalb die drei Robotergesetze und später die Forderungen an die Humanistik. KIs entwickeln sich schon heute unerwartet, was schon vor mehr als einem halben Jahrhundert erwartet wurde.
Der Filmausschnitt aus Darkstar zeigt die Diskussion eines Menschen mit der KI einer Bombe. Offensichtlich gab es in dieser Vorstellung zumindest gemeinsame Vorstellbarkeiten.
Aktuell wird KI kreativ auf Basis des Bekannten eingesetzt und tastet sich in neue Gebiete vor. Werden Menschen die Erfindungen und Entwicklungen der KIs aber auch verstehen (wollen) und freiwerdende Kapazität für grundsätzliches Neues nutzen? „Roboticists discover alternative physics“ beschreibt ein Experiment der Columbia University School of Engeneering and Applied Science in dem eine KI mit experimentellen Ergebnissen konfrontiert wird und hierzu eine Erklärung (schlüssige Hypothesen) erstellen soll, was auch geschieht. Wenn es von den klassischen Erklärungen abweichende, schlüssige Hypothesen gibt, sollte dies zu neuen Sehweisen auf Physic führen können. Hoffnungsvoll ist ein solcher Ansatz insbesondere im Licht des derzeitigen Dilemmas der Physik, wie es dieser Vortrag von Sabine Hossenfelder am Frankfurt Institute for Advanced Studies eindrucksvoll beschreibt.
Für die Biologie zeitigen der Einsatz von Alphafold und KI schon heute große Fortschritt und fundamentale Einsichten. Die Webseite „Forschung & Lehre“ formuliert: „KI-gestützte Protein-Analyse ist ‚Durchbruch des Jahres‘„, was selbstauferlegtem Understatement gleichkommt und eigentlich Tiefstapelei ist. Design von schaltbaren oder regelbaren Aptazymen, individuelle Medikamente, mit zeitlich oder regional limitierbarer oder abschaltbarer Wirkung lassen Arzneimittelsicherheit ganz neu denken. Wechselwirkung als Feature und nicht als unabwendbares Übel.
Chance und Risiko auch in neuen Denkansätzen zu globalen Ansätzen klimaverträglichen Lebens ohne Verzicht auf infrastrukturellen Komfort ergeben sich aus technischen wie sozialen Alternativentwürfen zu fossilgetriebenen Industrieentwürfen. Vormals wechselten Industrien ihren Standort, wenn sich dies für Produktion, Entwicklung und Vermarktung günstig darstellte. Standortbezüge sind neu zu denken. Wissenschaftskonservativismus, verkrustete Strukturen, Besitzstandswahrung … nichts davon ergibt sich axiomatisch, nichts davon muss unantastbar bleiben. Wissenschaft und Technik entwickeln sich transformativ und disruptiv. Wer auf den Zug springen will sollte nicht warten bis die roten Lichter immer weiter schrumpfen.
Zukunft ist das, was wir aus der Gegenwart machen. Sie kann uns, muss uns aber nicht gefallen.